08.10.2024

Architektur Öffentlich

Kunstmuseum Bern Wettbewerb entschieden

Kultur
Rendering, Siegerprojekt «Eiger», Blick vom Waisenhausplatz Visualisierung: Studio Blomen, Zürich © Schmidlin Architekten

Das Kunstmuseum Bern ist etwas Besonderes. Im Jahre 1879 gegründet, ist es nach dem Kunstmuseum Basel eines der ältesten Kunstmuseen der Schweiz. Jedoch waren sowohl der Altbau von Eugen Stettler aus 1879 als auch der Erweiterungsbau von 1984 – welcher auf einem Fundament aus dem Jahre 1936 steht – seit einigen Jahren sanierungsbedürftig. Defizite im Hinblick auf Lichtkonzept, Tragkonstruktion, Haustechnik, Sicherheits- und Fluchtweganforderungen sowie Kulturgüterschutz wurden attestiert. Somit war der Betrieb in manchen Teilen des Hauses nur noch mit Sondergenehmigungen möglich. Vor diesem Hintergrund begannen schon vor Jahren die Debatten um einen Ersatzneubau ebenso wie um die Sanierung des bestehenden Erweiterungsbaus.


Langer und komplexer Planungsprozess

Eine Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2018 ergab dabei, dass ein zukünftiges Konzept über die eigentliche Parzelle des Kunstmuseum Bern hinausgedacht werden müsse. Aufgrund unterschiedlicher Eigentums- und Nutzungsverhältnisse sowie diverser öffentlicher Interessen ist die Situation an der Hodlerstrasse, welche seit 1983 als Ganzes zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört, jedoch durchaus komplex. Um dieser Komplexität Herr zu werden, veranstalteten die Verantwortlichen in den letzten Jahren verschiedene Panelveranstaltungen, Umfragen und über 50 Workshops unter Beteiligung der Berner Bevölkerung. Die gesammelten Erkenntnisse flossen schließlich in die Ausschreibung eines internationalen Architekturwettbewerbs ein. Insgesamt 148 Teams bewarben sich in dem offenen 2-stufigen Verfahren. Daraus wählte eine Jury 39 Büros für die Teilnahme am Wettbewerb aus. Diesen konnte schließlich das Schweizer Büro Schmidlin Architekten mit MOFA urban landscape studio GmbH SIA für sich entscheiden. Ihr Beitrag „EIGER“ überzeugte durch eine klares städtebauliches Volumen, welches an der Hodlerstraße eine Platzsituation eröffnet.


Starkes städtebauliches Gefüge überzeugt

„Es ist ein Haus, wie wir es uns wünschen.“, bewertete Nina Zimmer, seit 2016 Direktorin des Kunstmuseums Bern, sowie des Zentrums Paul Klee, den Siegerentwurf. Geplant sind umfassende Sanierungen und ein Ersatzneubau. Dabei versteht sich der neue Solitär nicht als Anbau, sondern als ebenbürtiges Gegenüber im Dialog mit dem neoklassizistischen Stettlerbau, betonen die Architekt:innen. Es werde somit zum weiteren Akteur in der Reihe repräsentativer öffentlicher Bauten am nördlichen Aarehang. Dieses architektonischen Selbstbewusstseins geht einher mit einem Einbezug des Öffentlichen Raumes. Denn durch ein leichtes Versetzen des Neubaus in Richtung Aarehang entsteht ein großzügiger, öffentlicher Platz. Dieser Museumsplatz knüpft an die Promenaden und Plätze bis hin zum Bärenplatz an und gliedert sich so ins städtebauliche Gefüge ein. Der Platz wird durch ein Cafébespielt und dient zukünftig als Treffpunkt und Ort für Kunst im erweiterten öffentlichen Raum. Weiterhin soll der Platz durch Wasserspiel und Vegetation zur Abkühlung des Stadtklimas beitragen.

Der Museumsplatz ist nicht die einzige freiräumliche Aufwertung, die der Entwurf vorsieht. So verbindet weiterhin ein terrassenförmig angelegter Hofgarten den geplanten Neubau und das Bistro und setzt somit die Stadtmauer neu in Szene. Darüber hinaus entsteht zwischen Stettlerbau und Neubau eine breite Freitreppe, die hinunter zu der neugeschaffenen Aareterrasse führt. Dieser öffentliche Aufenthaltsort eignet sich unter anderem als Picknickplatz oder ebenfalls für die Kunstvermittlung.

Rendering, Siegerprojekt «Eiger», Ausstellungsraum im Untergeschoss Visualisierung: Studio Blomen, Zürich © Schmidlin Architekten
Rendering, Siegerprojekt «Eiger», Ausstellungsraum im 1. Obergeschoss Visualisierung: Studio Blomen, Zürich © Schmidlin Architekten
Rendering, Siegerprojekt «Eiger», Aareterrasse Visualisierung: Studio Blomen, Zürich © Schmidlin Architekten
Rendering, Siegerprojekt «Eiger», Blick vom Waisenhausplatz Visualisierung: Studio Blomen, Zürich © Schmidlin Architekten

Verbindungen schaffen

Insgesamt gelingt es durch die städtebaulichen Gesten und den Museumsplatz, die drei umstehenden Gebäude zu einem Ensemble zusammenzuführen. Dabei erhalten die Architekt:innen die Besonderheiten der einzelnen Gebäude, wie es das Juryprotokoll verdeutlicht: „Die verschiedenen Epochen der Gebäude werden harmonisiert, ihre strukturellen Unterschiede hervorgehoben und gleichzeitig das bleibende Erbe der Institution gestärkt.“ Um gleichsam ein zusammenhängendes Ganzes zu schaffen, entwarfen Schmidlin eine durchdachte räumliche Anordnung, die eine Verbindung zwischen den historischen und den zeitgenössischen Elementen schafft. Weiterhin schlagen sie eine einheitliche Materialpalette vor. Der Neubau ist ein beeindruckender Monolith aus Sandstein, dessen Textur einen Bezug zur Tradition der Berner Stein-Gewinnungstechniken herstellt. Dabei basiert die Sandsteinfassade im Erdgeschoss auf dem traditionellen Konzept der Rustika und wird nach oben hinzunehmend glatter. Vereinzelte Öffnungen sind fassadenbündig verglast. Das Dach des Neubaus ist flach, eine Abstraktion. Im Gegensatz zum gegliederten Dach des Stettlerbaus, weist der neue Solitär ein Flachdach auf.


Zusammenspiel aus Alt und Neu

Auch im Inneren setzt sich der harmonische Dialog zwischen zeitgenössischen und historischen Kunsterfahrungen fort. Es entsteht eine «zweigeteiltes Erlebnis». Aus einem multifunktionalen Eingangsfoyer lassen sich diese Bereiche erfahren. Dabei besteht der Neubau aus drei autonomen, vertikal gestapelten Ausstellungsräumen. Von dort gleicht der Übergang in den Bestand einem Eintauchen in das Wesen des Kunstmuseums aus dem 19. Jahrhundert. Im Stettlerbau sehen Schmidlin Architekten einen zweigeschossig hohen Raum mit unerwartetem Licht und Ausblicken vor. Den mutigen Vorschlag gilt es, laut Preisgericht, noch als denkmalpflegerisch zu überprüfen. Letztlich konnte jedoch genau die besondere Verbindung zwischen Alt- und Neubau, wie sie Schmidlin Architekten propagieren, die Jury überzeugen.


Zukunft für das Kunstmuseum Bern

„Der ausgewählte Vorschlag übertrifft die ursprünglichen Anforderungen an die Museumserweiterung.“, urteilte die Jury. So füge sich der Projektvorschlag EIGER nicht nur nahtlos in den historischen Kontext ein, sondern stärke dabei die Präsenz des Stettlerbaus und biete der Stadt Bern einen neuen Platz und einen unverwechselbaren Standort für das «erneuerte» Kunstmuseum Bern. Nun gilt es, das Siegerprojekt weiter zu bearbeiten. So soll unter anderem eine Überarbeitung der Fassade für eine weitergehende Gliederung genutzt werden, um vertiefte Bezüge zur Umgebung herzustellen. Auch der Denkmalschutz des Stettlerbaus und der Hodlerstrasse 6 seien vertieft zu prüfen. Und schließlich müsse die Freiraumgestaltung des Museumsplatzes konkretisiert werden. Ein Ausschuss der Jury wird die Überarbeitung des Projekts in enger Zusammenarbeit mit der städtischen Denkmalpflege begleiten. Das definitive Projekt soll dann Anfang 2028 vorliegen.

 

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