09.08.2024

Architektur Öffentlich

Isarphilharmonie München: Vom Ausweichquartier zum Klangwunder

München
Gelände HP8 mit Halle E, Isarphilharmonie München, Hochschule für Musik und Theater, Münchner Volkshochschule, Veranstaltungssaal und Freiraum Forum. Foto: HG Esch, © & Courtesy gmp.
Gelände HP8 mit Halle E, Isarphilharmonie München, Hochschule für Musik und Theater, Münchner Volkshochschule, Veranstaltungssaal und Freiraum Forum. Foto: HG Esch, © & Courtesy gmp.

Der neue Konzertsaal Isarphilharmonie München sollte für die Philharmoniker der bayerischen Landeshauptstadt und deren internationale Gastkünstler, die hier zusammen rund 80 Konzerte im Jahr geben, eine Interimslösung sein. Für den seit dreißig Jahren intensiv genutzten, 1984 eröffneten Kulturbau Gasteig an der Rosenheimerstrasse, einst das Zuhause der Münchner Philharmoniker, war die Generalsanierung beschlossene Sache. Wohin also mit den Konzerten klassischer und zeitgenössischer Musik auf Weltniveau und den anderen Einrichtungen, die im Gasteig untergebracht waren?

 

Wann der Gasteig nun durchsaniert sein wird, ist bis heute offen. Aber es wurde eine gute Lösung gefunden: Ein fast brach liegendes innerstädtisches Areal an der Isar im Stadtteil Sendling eignete sich zum Um- und Ausbau und in nur 18 Monaten Bauzeit konnte die Isarphilharmonie München nach Plänen von Gerkan Marg und Partner (gmp) eröffnet werden. Schnell hat sie die Herzen ihrer Nutzer, der Musiker und des Publikums erobert. Auch ohne Konzert lohnt ein Rundgang durch Münchens neues Kulturquartier, das sich bestens behauptet. Viele Besucher bedauern sogar, dass es nur für eine Zwischenlösung gebaut wurde.


Im „promising“ Münchner Sendling

Wenige Stadtteile Münchens sind so intensiv von neuen Quartiersplanungen betroffen wie Sendling. Einst Industriestandort, Arbeiterquartier und mit vielen Genossenschaftsbauten ein einfaches Kleine-Leute-Viertel, sollen hier in naher Zukunft viele Neubauten und schicke, für das 21. Jahrhundert typische Gewerbeflächen entstehen. Die Isarphilharmonie München mit ihren Kultur- und Bildungsbauten hat so etwas Richtungsweisendes, was die Zukunft des Stadtteils angeht. Hans-Preißinger-Straße 8 lautet die genaue Anschrift der Isarphilharmonie München. Mit den Initialen des Straßennamens, der den verstorbenen federführenden SPD-Kommunalpolitiker Hans Preißinger ehrt, und der Hausnummer 8 wurde dem Kulturareal mit dem Konzerthaus auch sein offizieller Namen gegeben: HP8. Die Isarphilharmonie München liegt für die Musikliebhaber der Stadt nicht ganz so günstig wie der Gasteig, ist aber trotzdem sehr en vogue und gut besucht. Von der Brudermühl- oder Schäftlarnstrasse kommend trifft der Besucher auf dem Gelände zuerst auf einen Bestandsbau, die Halle E. Das ist die ruhiggestellte Transformatorenhalle des ehemaligen Stadtwerkeareals an der Isar, die heute auch das Foyer der Isarphilharmonie München aufnimmt. Die liegt nur einen fugengroßen Abstand gleich neben der Halle E. Ein paar Schritte weiter sind die Hochschule für Musik und Theater und die Münchner Volkshochschule eingezogen. Hinter der Halle E und dem Konzertsaal zur Isar hin gelegen gibt es einen weiteren Veranstaltungssaal. Alle Neubauten sind in der zeitsparenden Modulbauweise errichtet wurden.

Wiedersehen mit einer Ikone macht Freude: Mitgenommen vom Gasteig zum HP8: Rupprecht Geigers monumentale Bauplastik „Gerundetes Blau“ von 1987. Foto: © Melanie Brandl/Gasteig.
Foto: © Melanie Brandl/Gasteig.
Wiedersehen mit einer Ikone macht Freude: Mitgenommen vom Gasteig zum HP8: Rupprecht Geigers monumentale Bauplastik „Gerundetes Blau“ von 1987.
Blick in die Halle E des HP8. Im Erdgeschoss Nutzung als Foyer zum Konzertsaal, die oberen Galerien für Bildung und Kultur. Foto: HG Esch, © & Courtesy gmp.
Foto: HG Esch, © & Courtesy gmp.
Blick in die Halle E des HP8. Im Erdgeschoss Nutzung als Foyer zum Konzertsaal, die oberen Galerien für Bildung und Kultur.

Die Kunst der Fuge

Das Kulturquartier mit der Isarphilharmonie München und den umliegenden Kultur- und Bildungsbauten ist eine städtebauliche Planung von gmp. Der Bestandsbau, die Halle E im ursprünglichen Industrial Style von 1929 mit einer Fassade aus rotem Ziegel und grauem Beton, blieb als Zentrum und Entrée des Areals erhalten. Durch die Planung des HP8 erwacht sie zu neuem Leben in der Kulturszene Münchens: Mit ihrer imposanten Gebäudehöhe und dem von oben belichteten atriumartigen Raum mit umlaufenden, durch blaue Brüstungen horizontal gegliederten Galerien wirkt sie fast wie eine Kathedrale. Menschen können sich dort über die offen gehaltenen Geschosse bewegen und die unterschiedlichen Einrichtungen nutzen. Das sind neben dem Foyer der Isarphilharmonie München im Erdgeschoss ein Standort der Münchner Stadtbibliothek, Seminar- und Besprechungsräume, Räume für Kulturvermittlung, Gastronomie und ein weiterer Veranstaltungsaal. Die Halle E und der Konzertsaal trennt eine Fuge, die durch einen schmalen Verbindungsbau überbrückt wird. Der Fugenbau lässt Altes und Neues nebeneinanderstehen: Die Fassade der Halle E bleibt sichtbar, Geschichte und Jetzt-Zeit werden in der Isarphilharmonie München eine erlebbare Einheit.

Blick in den vollbesetzten Konzertsaal der Isarphilharmonie München. Dunkel die Wandungen, Spot auf das Orchester. Foto: HG Esch, © & Courtesy gmp.
Foto: HG Esch, © & Courtesy gmp.
Blick in den vollbesetzten Konzertsaal der Isarphilharmonie München. Dunkel die Wandungen, Spot auf das Orchester.
Blick in den Konzertsaal der Isarphilharmonie München. Foto: HG Esch, © & Courtesy gmp.
Foto: HG Esch, © & Courtesy gmp.
Blick in den Konzertsaal der Isarphilharmonie München.

Der Konzertsaal als intimer Resonanzraum

„Ein Publikum, das gut sieht, hört auch gut“ sagte Yasuhisa Toyota anlässlich der Eröffnung der Isarphilharmonie München. Yasuhisa Toyota ist der Präsident von Nagata Acoustic in Tokio, einem Unternehmen, das zu den weltweit führenden Pionieren der Klang-Architekten gehört. Nagata Acoustic zeichnete für die bedeutendsten Konzertsäle auf dem Globus verantwortlich, zu denen auch die Elbphilharmonie in Hamburg und das Haus der ungarischen Musik in Budapest zählen. Yasuhisa Toyotas Kunst und das technische Knowhow seines Teams stecken im Konzertsaal der Isarphilharmonie München. Von Beginn des Planungsprozesses an hat gmp in Zusammenarbeit mit Yasuhisa Toyota und seinem Team die Geometrie des Raumes unter akustischen Aspekten entwickelt. Aus der sägezahnartigen, größtenteils überlappenden Anordnung der vorgefertigten Elemente und ihrer rauen Oberfläche in Kombination mit der Form des Bühnenraums, dem ansteigenden Parkett und der Bestuhlung, ergibt sich ein exakt aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel der schallreflektierenden Oberflächen. Die holzverkleideten Wände sind dunkel lasiert, die Atmosphäre trotz der Öffentlichkeit ruhig und intim. Als hellen Solitär sieht der Zuschauer die Bühne – ihr und dem Klang der Musik gilt die Aufmerksamkeit.

Lageplan der Isarphilharmonie. © & Courtesy gmp.
© & Courtesy gmp.
Lageplan der Isarphilharmonie.
Schnitt, Perspektive quer: Isarphilharmonie München und Halle E. Foto © & Courtesy gmp.
Foto © & Courtesy gmp.
Schnitt, Perspektive quer: Isarphilharmonie München und Halle E.

Konstruktion für die Kreislaufwirtschaft

Der Neubau von gmp für 1.900 Konzertbesucher besteht aus zwei konstruktiv getrennten Systemen. Das Kernstück der Isarphilharmonie München ist der in zeitsparender Holzmodulbauweise gebaute Konzertsaal, der in eine äußere Stahlkonstruktion eingepasst ist. Gemeinsam mit den Tragwerksplanern schlaich bergermann partner sbp entwickelte gmp den Saal als ein Stecksystem aus Vollholz-Elementen. Diese wurden zeitlich parallel während des Aufbaus des äußeren Stahltragwerkes vorgefertigt und anschließend vor Ort zusammengefügt. Mit der Verwendung einschaliger Decken- und Wandelemente konnte die Bauzeit stark reduziert werden. Sollte die Isarphilharmonie München ihre Aufgabe als Interimsquartier erfüllt haben, so kann der in Modulbauweise konzipierte Konzertsaal demontiert und sein Baumaterial woanders wiederverwendet werden.

 

Lesen Sie hier mehr zu einem weiteren tollen Bauwerk, das München besitzt: Das Olympiastadion. 

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